2. Geschichte des Brettspieles

 

„Das Spielen ist so notwendig für das menschliche Leben wie das Ausruhen.“

(Thomas von Aquin)

2.1. Definition von Brettspiel

Ein Brettspiel ist ein Spiel, dessen kennzeichnendes Element ein Spielbrett ist, auf dem die Spielerinnen und Spieler mit Figuren, Steinen oder anderem Material handeln. Das klassische Brettspiel besteht nur aus dem Spielbrett und den Spielfiguren.

Die meisten Brettspiele der Neuzeit agieren zusätzlich mit Karten und Ereignissen, die in das Spielgeschehen eingebunden werden, zählen aber ebenfalls zu der Kategorie der Brettspiele.

Das Spielbrett an und für sich, muss nicht zwingend aus Holz sein – die meisten gängigen Spielbretter sind aus Karton gefertigt. Das Spielbrett muss nicht starr sein, sondern z.B. bei „Die Siedler von Catan“ wird das Spielbrett bei jedem neuen Spielaufbau variiert.

 

2.2. Herkunft der Brettspiele

Eines ist sicher, bei der Frage nach der Herkunft von Brettspielen – man weiß es nicht genau, wo die Wurzeln der Brettspiele verankert sind. Die Historiker gehen davon aus, dass in Ägypten bereits ca. 2300 v. Chr. gespielt wurde. Mindestens genauso alt scheint die Spielkultur in China zu sein, wenn gleich die ersten schriftlichen Aufzeichnungen erst aus dem Jahr 450 v. Chr. stammen.

Allerdings kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die nachfolgenden Spiele Vorläufer unserer heutigen Spiele sind.

 

2.3. Senet

Die ersten Spuren dieses Brettspieles sind bereits über 5000 Jahre alt und aus dem alten Reich in Ägypten. Anfänglich war es ein Spiel der Reichen und Dynastien. Man spielte die Grundform mit Sandkörnern und Muscheln.

Senet gehört zu der Gruppe der „Laufspiele“ und heißt auch wörtlich übersetzt „vorbeigehen“.


[1] Tutenchamun

Im Grab des Tutenchamun fand man einen gut erhaltenen Spieltisch für Senet. Tutenchamun verstarb im Jahr 1323 v. Chr. und im Nebenraum der Vorkammer seines Grabes befanden sich insgesamt 4 Senet-Spieltische. Dieser Fund lässt darauf deuten, dass auch Tutenchamun zu dem Kreis der Senetspieler gehörte und belegt in gewisser Weise auch das wahrscheinliche Alter des Spieles.


[2] Ur-Senet, um 2300 v. Chr., Britisches Museum London

Das Senetspielbrett besteht aus drei Reihen mit je 10 Quadraten („Häusern“). Es gibt aber keine definitiven Aussagen über die Spielregeln. Man weiß nur, dass je 2 Spieler gegeneinander spielten und versuchten, sich gegenseitig in Bedrängnis zu bringen. Das Spielziel scheint das Besetzen bestimmter Felder gewesen zu sein und nicht das Schlagen gegnerischer Figuren.


[3] Heute handelsübliches Senetspiel

Das Senetspiel war in allen Bevölkerungsschichten verbreitet und hatte wohl eine gewisse religiöse Funktion. Vermutlich beschwört die Spielidee den Übergang des Toden in das Jenseits und so lässt es sich erklären, dass man viele Szenen in Grabmälern fand, die Menschen Senet spielend zeigte.

Im Zuge der Handelsbeziehungen im Mittelmeer scheinen die Senetspiele von Ägypten nach Europa, erstmalig nach Griechenland gekommen zu sein. Senet gilt heute als Vorläufer des uns unter dem Namen Backgammon bekannten 12-Linien-Spiels zu sein.

Bei Homers Aufzeichnungen über die eintönige Belagerung von Troja, finden sich Hinweise, dass sich die Krieger die Zeit mit Backgammon spielen vertrieben.


Die Reihe der darauf folgenden, berühmten Backgammon-Spieler liest sich wie ein Auszug aus unserer Weltgeschichte:

Kaiser Claudius, Cäsar, Augustus und Napoleon zählten ebenso wie Martin Luther zu den begeisterten Anhängern dieses Spieles.

Die Spielregeln wurden erstmals in der Zeit des Plato aufgezeichnet und haben sich bis heute nicht wesentlich geändert. Die neuesten und heute gültigen Regeln legte der Engländer und Spielexperte Edmond Hoyle in einer 1743 erschienenen Abhandlung fest.

Der Siegeszug des Backgammon begann im arabischen Reich unter dem Namen „Nard" und setzte sich über Asien in die ganze Welt fort. Den Ursprung für die heutige Beliebtheit findet man in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Damals reisten Tausende von enthusiastischen Spielern nach Las Vegas um dort am ersten Backgammon-Turnier der Neuzeit ihr Können unter Beweis zu stellen. Seit diesem Zeitpunkt genießt Backgammon wieder seinen hohen Stellenwert in der eleganten Gesellschaft.

[4] Backgammon

In den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte Backgammon einen rasanten Aufstieg. Es avancierte zu einem der meist gespielten Spiele weltweit.

Auf diese Weise kann man beweisen, dass Michael Schumacher und Tutenchamun eine Gemeinsamkeit haben. Tutenchamun hat gerne Senet gespielt und Michael Schumacher hat sich letzthin dazu bekannt, dass er in seiner Freizeit gerne das Backgammon auspackt.

 

2.4. Pachisi

Sprechen wir heute von Pachisi, dann meinen wir „Mensch ärgere dich nicht.“ Es gilt als Vorläufer diese populären Brettspieles. Angeblich 60 Millionen Exemplare des Spiels "Mensch ärgere Dich nicht" wurden seit seinem Erscheinen zu Beginn unseres Jahrhunderts verkauft. In drei von vier bundesdeutschen Haushalten steht der knallrote Karton mit dem finster blickenden Herrn im Regal. Dieser Klassiker gehört in die Gattung der sogenannten Laufspiele. Doch auch wenn "Mensch ärgere Dich nicht" noch nicht ganz 100 Jahre alt ist, so reichen doch die Wurzeln dieses Spiels bis nach Indien ins 6. Jahrhundert zurück. Das noch heute als indisches Nationalspiel bezeichnete "Pachisi" gilt als die wichtigste Urform der Laufspiele.

[5] Pachisi spielende Frauen in Indien

Englische Reisende brachten vor etwa 400 Jahren das Spiel von Indien nach Europa. Diese Reisenden berichteten auch, dass dort in den Palästen der Herrscher riesige Spielpläne in Marmor ausgelegt seien, auf denen mit Menschen als lebenden Figuren gespielt wurde. Heute sind die kreuzförmigen Spielbahnen auf Stoff aufgemalt oder sogar prächtig bestickt und mit Perlen verziert. Jeder Kreuzarm ist in drei Bahnen unterteilt, nämlich eine Mittelbahn und zwei Außenbahnen. Die Stoffpläne haben den Vorteil, dass sie aufgerollt leicht transportiert werden können und somit schnell bei der Hand sind.

[6] Pachisi aus Stoffbahnen

Zum Würfeln nimmt man heute normale sechsseitige Würfel oder Holzstäbe, deren vier Seiten markiert sind. Ursprünglich dienten sechs Kaurimuscheln als Würfel. Sie wurden geworfen, und man zählte die oben liegenden Öffnungen. Wies keine Öffnung nach oben, war dies der beste Wurf und zählte 25 Punkte. Hiervon leitet sich auch der Name des Spieles ab, denn "Pachisi" ist das Wort für 25 in der Hindisprache.

Ausgangs- und Zielpunkt des "Pachisi", das auch wie "Mensch ärgere Dich nicht" mit je vier Figuren gespielt wird, ist die Mitte des Kreuzes. Von dort müssen die Figuren über eine Mittelbahn ziehen und dann über die Außenbahnen aller vier Arme zurück ins Mittelfeld. Bestimmte Felder auf den Bahnen sind als Festungen markiert. Dort darf ein Stein nicht geschlagen werden. Stehen zwei Figuren einer Farbe auf demselben Feld, bilden sie eine Blockade. Sie können aber von einer anderen "Doppelfigur" geschlagen werden. Stehen mehrere Figuren einer Farbe auf einem Feld, dürfen sie gemeinsam gezogen werden. Es kann aber auch auf einen Würfelwurf verzichtet werden. Damit ist bei Pachisi nicht nur das Würfelglück, sondern auch die Strategie entscheidend.

Im 19. Jahrhundert wurde "Pachisi" mit einigen Varianten dann im westlichen Kulturraum populär. In Amerika z.B. als "Parcheesi" oder "Chessindia", die Schweiz kennt es als "Eile mit Weile" oder "Der Weg zur Herberge", "Ludo" oder "India" in Großbritannien und "Parchis" in Spanien.

Doch kehren wir zurück nach Deutschland und zwar in das Jahr 1905. Es ist die Zeit der langen kalten Winterabende. Der städtische Angestellte Josef Schmidt aus dem Arbeiterviertel München-Giesing macht sich Gedanken über den Zeitvertreib seiner drei kleinen Söhne. Schließlich zeichnet er einen kreuzförmigen Umlauf als Spielbahn auf einen Karton. Gegenüber dem "Pachisi" verliert der Kreuzmittelpunkt seine Bedeutung als Anfangs- und Zielfeld. Stattdessen wird jeder Farbe eine Mittelbahn als Ziel zugeordnet. Auf die taktischen Elemente wie Ruhebänke, Blockaden usw. wird verzichtet. Das "Mensch ärgere Dich nicht", wie wir es heute noch spielen, ist damit geboren.

Angespornt durch den Erfolg seines Spieles bei den eigenen und den Nachbarkindern, beschließt Josef Schmidt im Jahre 1912 eine Werkstatt in der Münchner Lilienstraße einzurichten, um dort sein Spiel in Serie zu produzieren. Doch der Erfolg will sich nicht einstellen. Statt dessen bricht zwei Jahre später der erste Weltkrieg aus. Die Menschen haben andere Sorgen, als sich um ein Spiel zu kümmern. Da kommt Josef Schmidt eine geradezu geniale Marketingidee. Er produziert 3.000 Exemplare seines Spieles in einer Einfachversion und verschenkt sie an die Lazarette, damit die Frontsoldaten sich damit die Zeit vertreiben können. Von dort findet das Spiel seinen Weg auch bis in die Schützengräben. Die Rechnung geht auf. Als die Soldaten nach Kriegsende endlich nach Hause zurück können, wollen sie dort nicht auf das Spiel verzichten. So wird bis 1920 die erste Million Spiele zum Stückpreis von 35 Pfennig verkauft.

[7] Mensch ärgere dich nicht Spiel

Auch viel Skurriles ereignete sich im Laufe der Jahre mit diesem Spiel. So steht der Rekord im Dauerspielen bei 121 Stunden und es existiert sogar eine Bestleistung für das Spielen unter Wasser: 36 Stunden. Manche spielen „Mensch ärgere Dich nicht“ verbissen um Geld, es gibt Meisterschaften und Turniere, und das Spiel wurde auch auf den Computer übertragen.

In gewisser Weise war dieses Spiel auch der Ideengeber für „mein“ Lernspiel Schlauerpower – die Anregungen für den Spielverlauf habe ich mir dort abgeschaut.

 

2.5. Mühle

Mühle ist bereits über 3000 Jahre alt und gehört damit zu den ältesten Brettspielen, welches in der ursprünglichen Fassung noch heute gespielt wird. Der älteste Hinweis auf das Mühlespiel kommt aus Ägypten, genauer gesagt aus dem alten Theben. Über den genauen Fundort gibt es widersprüchliche Angaben, doch hat sich die These des englischen Spieleforschers R. C. Bell durchgesetzt. Danach sollen auf den Dachplatten eines Tempels von Sethos I. (1303 - 1290 v. Chr.) diverse Spielpläne zu finden sein. Diese Tempel befinden sich im Bezirk Kurna.

Sowohl eine Dreier- als auch eine Neunermühle sind dort in den Stein gemeißelt. Leider weiß man nicht, wie Mühle damals gespielt wurde und wie sich das Spiel verbreitete. Auch in Troja hat man Mühlepläne gefunden, ohne jedoch die Zeit genau datieren zu können. Die Iren kannten Mühle schon in der Bronzezeit, wie Grabfunde in Cr Bri Chualann in Wicklow beweisen.

Die Chinesen kannten ab ca. 551 v. Chr. eine einfache Version der Mühle, das sogenannte "Yih". Ovid (43 v. Chr. - 18 n. Chr.) erwähnt Mühle in seiner erotischen Dichtung "Ars amatoria". Besonders beliebt war das Spiel bei den römischen Legionären. Verschiedene Funde in Limesfestungen beweisen, dass sie sowohl die Neunermühle als auch die sogenannte Rund- oder Radmühle bevorzugten. Dann tauchte die Doppelmühle in Deutschland auf. Auf einem Grabstein in der Krypta der Sankt – Wiperti - Kirche in Quedlinburg sind gleich zwei Spielpläne eingraviert. Diese Kapelle wurde im 9. Jahrhundert erbaut. Selbst am Stuhl des Kaisers im Aachener Münster soll ein Mühleplan zu finden sein.

Die Wikinger haben sich ebenfalls mit Mühle die Zeit vertrieben. Als man 1880 einen Grabhügel bei Gokstadt (Sandefjord) öffnete, fand man unter den Besitztümern des hier begrabenen Königs auch die Bruchstücke eines Mühlebretts (ca. 900 n. Chr.) aus Holz. Alfons X., König von Leon und Kastilien ließ das erste Spielebuch (zw. 1251 und 1282, Libro dos Juegos) der Welt zusammenstellen. Dort sind die Regeln eines Mühlespiels mit Würfeln verzeichnet.

Selbst Shakespeare erwähnt Mühle als Spiel im Freien in seinem Werk "A Midsummer Nights Dream". Das haarsträubende: den Übersetzern ist leider gerade hier ein Fehler unterlaufen, "Mühle" wird bei ihnen zur "Kegelbahn". Das wohl älteste erhaltene Mühlespielbrett stammt aus Süddeutschland (um 1500). Es handelt sich um einen aufklappbaren Kasten aus Holz mit Schach, Mühle und Trick-Track.


Woher aber kommt der Name? Er kommt wahrscheinlich von dem lateinischen Wort "merellus". Daraus entstanden dann in England z. B. "Morelles" und daraus wiederum der heute gebräuchliche Name "Nine Men's Morris". In Frankreich heißt das Spiel "Merelles".

[8] Mühle Spiel in moderner Variante

Die Regeln sind denkbar einfach. Abwechselnd setzten die beiden Spieler ihre jeweils 9 Steine auf die Ecken und Schnittstellen des Spielbretts. Wer schon beim Setzten der Steine eine Mühle bilden kann (3 Steine in Reihe auf einer Linie), darf dem Gegenspieler einen Stein wegnehmen.

Nachdem alle Steine gesetzt sind, wird gezogen: Man öffnet eine Mühle, um sie beim nächsten Zug wieder zu schließen und dadurch dem Gegner einen Stein abnehmen zu können oder versucht, den Gegner an der Bildung einer Mühle zu hindern.


Gezogen wird immer nur um einen Schritt auf ein freies, benachbartes Feld, das über eine Linie verbunden ist. Sobald einer der Spieler nur noch 3 Steine hat, darf er auf jedes beliebige Feld springen. Wer nur noch 2 Steine besitzt, hat verloren.

Das Mühle Spiel kann auch in vereinfachter Form auf dem Papier gespielt werden. Man zeichnet 3 x 3 = 9 Quadranten auf ein Papier.

„Kleine Mühle“ auf Papier

Bei Spielen dieser Art entscheiden weniger die Strategie oder die Taktik das Spiel, sondern oft die Fehler des Partners.

 

2.6. Der Krieg der Könige – Schach

Die heutigen Schachhistoriker sind sich darin einig, dass das eigentliche Schach - mit einigen Unterschieden zu den heutigen Regeln - um 500 n. Chr. Im Nordwesten Indiens seinen Ausgang nahm und sich von dort in alle Himmelsrichtungen ausbreitete. Dafür spricht auch, dass die Grundstellung der Schachfiguren dem damaligen indischen Heer entsprechen:

"In der Mitte steht der König, daneben der Oberbefehlshaber (damals der Wesir, heute die Dame), rechts und links die Elefanten, die Pferde, die Wagen und das Fußvolk davor".

Das moderne Schach ist in fünfzehnhundertjähriger Entwicklung um die ganze Erde gewandert. Dabei flossen Regeln, Symboliken und viele nationale und kulturelle Eigenarten östlicher und westlicher Kulturen in das Spiel ein. Vermutlich ist das Schach von indischen Händlern und Soldaten nach Persien gebracht worden. Der Name "Schach" leitet sich vom persischen Wort "Schah" - König - ab.

Die Epoche des Aufstiegs der arabischen Wissenschaften war auch die erste Blütezeit des Schachspiels. Mathematiker, Mystiker, Mediziner und Meister aller Klassen stürzten sich auf das neue Spiel wie auf eine Fundgrube wunderbarer Geheimnisse. Die ersten Schachmeister verdienten ihr Brot am Hofe. Mediziner empfahlen das Spiel als psychiatrisches Heilmittel. Mit speziell verschriebenen Spielstilen wollten die Ärzte den Charakter beeinflussen und Krankheiten heilen. So sollten Melancholiker durchgeplanten Spielstrategien folgen, während sich Phlegmatiker vor allem Schematismus zu hüten hatten.

Zum Durchbruch verhalf der Schwiegersohn Mohammeds dem Schach im Jahre 632: Er sagte: "Es ist nichts Unrechtes am Schach. Es hat mit Krieg zu tun." Ein Ausspruch der die Entstehungslegenden konterkariert aber vor dem Hintergrund der damaligen kriegerischen Unternehmungen zur Befreiung der "Ungläubigen" verständlicher wird.

Der Erfolg des Schachs ging in Arabien Hand in Hand mit der Verbreitung der Dichtkunst. Schach als Thema hielt Einzug in die Literatur. Liebeskunst und Schachkunst lagen eng beieinander, und nicht selten endete eine Schachpartie zwischen Mann und Frau im Bett. Die Liebeskunst stand wohl doch über der Schachkunst, wie auch im Mittelalter das Liebesschach zu einem Leitmotiv der Minne wurde.

[9] Schachspiel der Neuzeit

Im Vergleich zum heutigen dynamischen Schach war das Spiel damals viel langsamer. Die Bauern konnten auch mit dem ersten Schritt nur ein Feld vorrücken; die „Powerdame“ von heute war ein kleiner Wesir der nur einfache Schrägschritte machen konnte. Die Läufer durften auf ihrer Diagonale nur auf das übernächste Feld springen, allerdings auch über Figuren hinweg. Die Rochade war unbekannt. Der zähe Verlauf führte zur Entwicklung der "Tabiyas": das sind aktive Eröffnungsstellungen, die beiden Spielern eine spiegelbildliche Ausgangsstellung gaben, die nicht der Grundstellung entsprach.

Nach Europa kam das Spiel durch die Iberische Halbinsel erobernden Araber im 8. Jahrhundert. Die erste Erwähnung des Schachspiels in Europa findet sich auf einer Geschenkeliste des Emir von Cordoba im Jahr 1010. Das Spiel fand schnell Verbreitung in der Oberschicht. Die Einordnung des Schachs seitens der Kirche fiel zwiespältig aus. Die Belege reichen von schachspielenden Bischöfen bis zum Verbot des Schachs durch den Trierer Bischof im Jahr 1310, da er befürchtete, dass Schach ein Suchtmittel sei.

Am beliebtesten war das Spiel bei Rittern. Bereits im 11. Jh. gehörte es neben Reiten, Schwimmen, Schießen, Ringen, Vogelfang und Saitenspiel zu den sieben Künsten der Ritter. Im Gegensatz zu den anderen Ritterkünsten war Schach ein Zimmersport für Winterabende und schlechtes Wetter. Spätestens gegen Ende des 13. Jh. hatte sich das Schach vom Hofe bis in die Hinterhöfe durchgesetzt. Da die Kritiker des Spiels einsahen, dass ein Verbot wirkungslos bleiben müsse, wurde das Spiel geduldet.

Über die Spielweise des Schachs im Mittelalter ist weniger bekannt als über die allegorischen Spielarten und Spielereien der Ritter und Minnesänger mit dem Schach. Die Spielregeln machten das Spiel träge und ein Matt sehr schwer. So wurde der "Beraubungssieg" eingeführt: Die Partie galt als verloren, wenn der König ohne "Gefolgschaft" auf dem Brett stand. Die Zähigkeit im Spielaufbau förderte das Interesse an Schachproblemen und die Suche nach Mattbildern. Um das Spiel wieder interessant zu machen, mussten die Regeln geändert werden.

Zu dieser Zeit waren vor allem in Italien und Spanien immer neue Gangarten der Figuren ausprobiert worden. Damals herrschten in verschiedenen Gegenden Europas unterschiedliche Regeln. Trafen sich zwei Spieler mussten sie sich - wie heute noch die Doppelkopfspieler - auf gemeinsame Regeln einigen.

Wann und wo genau die neuen Regeln in Kraft traten, liegt genauso im Dunkeln wie die Geburt des Schachs. Während der Schachhistoriker van der Linde den "Gedankenblitz eines genialen Schachspielers" vermutet, legt Joachim Petzold in seiner Schach-Kulturgeschichte überzeugend dar, dass das Spiel sich im 14. und 15. Jahrhundert parallel mit der geschichtlichen Entwicklung in Europa und der ganzen Welt verändert hat. Ob tatsächlich die Erfindung der Artillerie und die entfernungsüberwindenden Fahrten der portugiesischen und spanischen Seefahrer die neue Langschrittigkeit der Schachfiguren inspiriert haben, mag dahingestellt bleiben, sicher ist sie aber ein Ausdruck des neuen weltbeherrschenden Tempos. Die Untertanen des Königs wurden gestärkt und somit auch der König selbst. Die Dame wurde zur brettbeherrschenden Figur.

Dank der neuen Regel erlebte das Schach ab dem 15.Jh. eine zweite Blüte. Es war ein schnelles, dynamisches Spiel geworden. Das Mattsetzen wurde jetzt einfacher, der Beraubungssieg abgeschafft und die Rochade erfunden. Pattstellungen galten jetzt als verlorenes Spiel und nicht mehr als remis. Ende des 15. Jahrhunderts führten die neuen Regeln, nach denen schon ein Fehler in der Eröffnung die ganze Partie entscheiden konnte, zu einem Boom an Schachbüchern.

Dieser Boom hält heute noch an und in unserem Zeitalter, das Schachcomputer und Schachpartien am PC und im Internet, hervorbrachte, ist es immer noch ein beliebtes Spiel von jung und alt.

 

2.7. Spiele heutiger Generation

Diese Auflistung von Spielen könnte noch unendlich weiter erfolgen. Ich habe mich nur auf die wichtigsten beschränkt, die heute noch populär sind und deren Entstehungsgeschichte man nachvollziehen kann.

Heute gibt es ein reichhaltiges Angebot an Brettspielen, die den meisten Jugendlichen gut bekannt sind. Aber das Angebot entwickelt sich stetig weiter und ganze Autorenzünfte haben sich gebildet um neue Spiele zu schaffen.

Im Studienkreis habe ich in einem Gespräch nachgefragt, welche Spiele den Jugendlichen spontan einfallen und es zeigte sich, dass die „Klassiker“ eine entscheidende Rolle einnehmen. Genannt wurden weiterhin:

  • Monopoly
  • Die Siedler von Catan
  • Trivial Pursuit
  • Hexentanz
  • Zug um Zug

und viele weitere.

Seit 1979 wird in Deutschland der Preis „Spiel des Jahres“ vergeben, wobei eine unabhängige Jury die Spiele testet und bewertet. Dort eine Auszeichnung zu erhalten ist gleichbedeutend mit Erfolg und einem sehr guten Konzept.

Leider ist das Brettspiel als Gesellschaftsspiel etwas in den Hintergrund gerückt. Die Computer- und Spielkonsolenindustrie hat einen enormen Zulauf, was die Spiele betrifft und das ist insofern besonders traurig, da dadurch der gesellschaftliche Charakter der Spiele in den Hintergrund rückt.